Wer schweigt,…

Oskar Maria Graf / Jenny Holzer / Literaturhaus / JPC – Lagrein, Cappuccino, Bier, Select auf Papier. 11/2022

…macht sich mitschuldig.Stimmt wohl und momentan gibt es so einiges, wozu man nicht schweigen darf. Die Sicherheitsverwahrung von Klimaaktivisten etwa. Vorangetrieben durch ewig gestrig denkende alte Männer – ob nun an Jahren oder im Geist, egal. Aber das geht gar nicht, und ist ein Rückfall in dunkeldeutscheste Vergangenheit. Bitte! Die jungen Menschen, denen das Klima ja dann wirklich wohl eins vor den Latz knallt, haben ein Recht, nicht nur süffisant belächelt gehört zu werden, sondern dass man – gerne im vorauseilenden Gehorsam – in ihrem Sinne handelt. Jo, jo – da gibt es einiges abzustimmen und zu diskutieren, schon klar, aber gehandelt muss werden. Nicht verdruckst, beschwichtigend und auf die lange Bank schiebend, sondern jetzt. Die bayerischen Machenschaften und das bayerische Greenwashing muten dabei besonders befremdlich an. Aber wo ist sie nun, die liberalitas bavariae, die man sonst so gerne beschwört. Gilt die nur bei Bier und bayerischer Gemütlichkeit. Wahrscheinlich, denn die scharfmacherischen Parolen über “terroristische Aktivitäten“ sind harter Tobak. Eine gestandene und wehrhafte Demokratie hält dem spielend stand. Es braucht keine neuen Verordnungen oder vielleicht sogar Gesetze. Demokratie ist ein sich fortentwickelndes Konstrukt, reaktiv und schützend, aber eben auch dynamisch. Und angesichts der Klimadynamik bedarf es auch einer demokratischen Dynamik. Nach vorne und nicht so wie jetzt rückwärts. Also Schluss mit dem blöden Getröte der alten Garde, dafür bitte mehr neue Denke. Denken hat noch nie geschadet.

Aber, und das möchte ich auch sagen, solch plakative Zeilen, so geschmeidig sie in den Geist flutschen, reduzieren doch einen gewichtigen Kontext auf eine eingleisige Denke. Ist es wirklich so, dass „wer nicht schweigt“, dann in Unschuld und somit gut ist? Das wäre dann doch zu einfach. Schwarz-weiß, Yin und Yang, wir haben es nicht mit den Grautönen. Leider. Müssen wir halt noch üben – das gehört zur dynamischen Demokratie dazu. Also bitte etwas mehrgleisig im und mit dem Kopf unterwegs sein, dann ist das alles auch etwas solider. Und genau das benötigen wir, spätestens seid den unsäglichen letzten nun fast drei Jahren, in denen sich unsere demokratisch strukturierte Gesellschaft wieder einmal quer und von ihrer unfähigsten Seite gezeigt hat. Eine meist betroffen schweigende Mehrheit steht einer lauthalsig sich produzierender Minderheit gegenüber. So ist das in einer dynamischen Demokratie – das muss man aushalten. Aber, um bei einfachen Satzkonstrukten und im Kontext zu bleiben: “Wer am lautesten schreit, hat am meisten Recht!“ Das stimmt ja nun wohl überhaupt nicht. Gottseidank. Aber wenn dem so wäre, dann darf man doch nicht schweigen, denn sonst beißt sich die demokratische Katze einfach in den Schwanz.