Ankommen in Nepal ist…

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…ist wie Heimkommen. So ist es zumindest in meinem Kopf, seitdem Karin aus W. einmal diesen wunderbaren Satz geprägt hat. Er ist fest verankert, geht garnicht nicht mehr raus. Und wie ist es, wenn man so heimkommt und vieles noch in Unordnung ist, weil ein großes Erdbeben alles durcheinander geschmissen hat, vertraute Tempel und Pagoden einfach verschwinden ließ, den Menschen einen vielleicht nicht sichtbaren, aber doch spürbaren Respekt vor der Naturgewalt eingeimpft hat? Genau so: Ankommen in Nepal ist wie Heimkommen. Und wer sagt, dass, wenn man schon wirklich einmal heimkommt, alles nach außen hin perfekt sein muss? Die Zeit ist ein großer Wandler und Verwandler. Sie ist uns immer einen großen Schritt voraus, wir folgen ihr mit einem hinkenden Bein und hechelnd hinterher und dies meist mit einem hastigen, immer wieder zurückgerichteten Blick. Dabei sagen in vielen Kulturen die Schamanen, dass man nicht zurückblicken soll. Von hinten droht die Gefahr der Dämonen und der bösen Geister…wie bei uns!

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Wo einstmals über viele Jahrhunderte der Kastamandapatempel stand, steht heute dieses künstlerisch anmutende Baugerüst. Auf einer Biennale wäre es der Renner. Irgendwann, vielleicht irgendwann einmal, wird hier wieder ein Tempel stehen, der so aussieht, als wäre er der Kastamandapatempel. Der Tempel, der der Legende nach aus dem Holz nur eines Baumes errichtet wurde, der Tempel, an dem sich heute die Shivajünger und Asketen getroffen hätten, der Tempel, der vielleicht sogar Kathmandu seinen Namen gegeben hat. Jetzt ist dieser Tempel und der vom Erdboden zerstörte Platz immer noch Baustelle, ein Planungsobjekt. Nur mit viel gutem Willen kann man diesem Bambusgerüst so etwas wie Hoffnung abgewinnen. Aber es wird so sein. Die Zeit ist ein großer Wandler, vielleicht werden Lichtjahre vergehen, bis dieser Platz wieder seine urkräftige Würde wiederfinden wird, aber es wird so sein…da bin ich mir sicher!
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Man muss schon die Kraft einer kleinen Ratte haben, um den großen, so schwergewichtigen, elefantengestaltigen Gott Ganesh durch die Zeitalter und Weltalter zu bewegen. Vielleicht wussten die klugen Baumeister des Kastamandapatempels und des benachbarten Ganesh-Schreins vor vielen Hunderten von Jahren bereits, dass sie einmal die gewaltige Kraft der kleinen Ratte brauchen, um nahezu Unmögliches zu bewegen. Wahrscheinlich haben sie sich deshalb so viel Mühe gegeben für diese kleine Plastik. Aber ihr traut man es einfach zu, dass irgendwann einmal das Problem spitznasig gemeistert ist und uns im Nachhinein nur noch als eine kleine Wirrung der Zeit erscheint. Schnee von gestern würde man bei uns sagen. Trotz Erdbeben kommen die Menschen, egal ob jung oder alt, hierher und streichen der Ratte liebevoll über die blankpolierte Nase. Damit trotzen sie ganz nebenbei unserem westliche Verständnis von Zeit und Vergänglichkeit, von Tradition und momentan anscheinender Wirklichkeit. Für die Menschen, die der Ratte über die Nase streichen, ist auch der zerstörte Kastamandatempel noch da. So ein Ort verliert seine Kraft nicht, nur weil ein paar Balken eingestürzt sind…