Der Berg ist ja momentan…

Ushba – Georgien

…in vieler Munde, weniger, weil er bestiegen wird oder erwandert wird, sondern weil man ihn immer und immer wieder in den Mund nimmt. Noch lange nicht über den Berg…schon lange über den Berg…ein gewaltiger Berg von…hinter den Bergen…dazu kommen dann die verschiedenen Varianten wie eine rasante Talfahrt der…oder ein steiler Anstieg von…Da muss der Berg (hier in diesem Fall der Ushba Südgipfel, 4737 m) für einiges herhalten. Deswegen bleiben wir heute mal ein bisserl im Metier der Berge. Der Ushba, so schön wie er hier zu sehen ist, hat nämlich einen Doppelgipfel, den sieht man nur leider im Moment nicht, denn er ist vom Hauptgipfel verdeckt. Aber das nur nebenbei, wo doch viele davon reden, man müsse auf Sicht fahren.  Fest steht jedenfalls, je höher der Berg desto höher sind natürlich auch die Gefahren. Unser Berg, den wir gerade alle zu meistern haben, ist – so finde ich – ziemlich hoch. Und so heißt es in Wikipedia zum Thema Höhenbergsteigen (von Thomas Lämmle) dass nach dem Gipfel: „…für den Abstieg benötigte Kräfte restlos investiert oder alarmierende körperliche Signale ignoriert werden. Viele Bergsteiger stürzten nicht bei schwierigen Kletterpassagen in den Tod oder wurden von Lawinen mitgerissen, sondern starben beim Abstieg an Erschöpfung. Die mangelnde Entscheidungskompetenz aufgrund des akuten Sauerstoffmangels kann hier eine fatale Rolle spielen…

Ein Blick in die Bergunfallstatistik  des Alpenvereins erzählt uns, dass die meisten Bergunfälle sowieso irgendwie beim Abstieg oder bei der Abfahrt passieren. Spitzenreiter sind die Mountainbiker, die es auf 93 Prozent bei der Abfahrt schaffen. Liegt ja auch irgendwie in der Natur der Sache. High speed down hill. Alexander, einer der beiden Huber, hat mit „Die Angst – dein bester Freud“ ein für die momentane Situation ganz passendes Bergbuch verfasst. Angst ist ein wichtiger Partner am Berg, denn die Angst ist dein sicherster Freund, um Gefahren aus dem Weg zu gehen. Zu oft wird körperliche und seelische Ermüdung mit mehr Risikobereitschaft „ausgeglichen“, was eben zu so leidigen Nachlässigkeiten und Fehlern führt. Ein bisserl Angst mag da vielleicht ganz nützlich sein, um den Blick zu schärfen und eben nicht abzustürzen.

Matterhorn – Zermatt

Ein berühmtes Beispiel für Berg, Risiko, Seilschaft, Egotripp ist die Erstbesteigung des Matterhorn 1865 durch den Engländer Edward Whymper. Er hatte sechs Männer, darunter zwei Schweizer und einen französischen Bergführer, überredet, den Gipfel zu versuchen. Es war ein ehrgeiziger Wettlauf, denn von Italien aus ging eine zweite Gruppe. Der gefährliche Hörnligrat  war gemeistert und Whymper durchschnitt das Seil und stürmte voran, um erster zu sein. Alle waren dann am Gipfel, als erste, und auf dem Rückweg seilte man sich wieder an und nutzte, das Hauptseil war ja durchschnitten, ein altes Reserveseil. Kurz unterhalb des Gipfels rutschte einer der Gruppe aus. Der Bergführer wollte halten, aber das Seil riss. Vier Männer stürzten ab und starben. Beides erregte großes Aufsehen in Europa: der waghalsige Erfolg und der Tod der Kletterer.

Torres del Paine – Chile

Die Situation an unserem Berg ist momentan alles andere als lustig. Um eines klar zu stellen, auch ich poche auf unsere Grundrechte. Und ich schreibe hier bewusst „unsere“ statt „meine“. Und nein, ich möchte sie auch nicht gnädig von irgendeinem König zurück, sondern sie gehören uns und damit auch mir. Ich habe sie für eine gewisse Zeit zurückgestellt und ich lasse sie mir nicht nehmen. Deswegen gilt auch an diesem Berg „Überlegen macht überlegen“ und „überlegen“ am Berg heißt „überleben“. Deswegen sollte man immer darauf achten, die Risiken beim Abstieg zu minimieren und ein bisserl Angst kann durchaus hilfreich sein. Also nicht nur über die Ängstlichen schimpfen. Nützt ja sowieso keinem, wenn es einen kurz vor dem Ziel aus der Spur haut. Deswegen ist nun jeder für sich selbst gefordert und muss selbst aufpassen, sonst wird das nichts mit Zuhause. Aber ist es bei Bergen ist es nicht selten auch wie bei Fischen? Man darf auch nicht alles für bare Münze nehmen. So hoch, so toll, so groß, so schnell….

Gibt es eigentlich das Wort Bergangellatein?