„Der Körper entwickelt…

…den Ort.“ und „Es kommt auf die innere Modellierung durch den Betrachter an.“ Das Haus der Kunst präsentiert mit „Shifting Perspectives“ in einer großartigen Ausstellung die Arbeiten von Franz Erhard Walthers. Absurderweise hatte ich in Südtirol beim Coronaausbruch davon gelesen, die Museen wurden aber gleich geschlossen, und es war erst einmal, wie wir alle wissen, ein no go. Aber es war von Anfang an klar, da muss man hin. Also was bleibt übrig, als sofort nach der Wiedereröffnung den Vorsatz beim Schopf zu packen. Eine überdimensionale textile Installation und drei maskenbeschützte Museumsangestellte. Wow, das sind sich auflösenden Gegensätze.Und dazu noch der große Saal ganz für mich allein. Wie schreibt Walthers: „Es kommt auf die innere Modellierung durch den Betrachter an.“ Wie könnte man besser modellieren, wenn man die Freude hat, diese Intensität alleine zu betrachten…

Neben all den großflächigen Textilarbeiten lohnt sich wie immer auch der Blick auf die „kleineren“ Dinge, so wie hier auf das schweren Mantel-Stahlstück von 1969. Mit Stahlplatten gefüttert, zwingt er den Träger zu langsamen, fast statischen Bewegungen. In diesen Tagen ein nachdenkliches Symbol. Es geht etwas vorwärts, nur das Tempo ist gebremst. Der Körper wird vom Mantel umhüllt und durch die Gewichte gleichsam fixiert. „Ich musste in meiner Arbeit den Rahmen und den Sockel abschaffen.“ Klingt fast wie eine Gebrauchsanweisung zu einer inneren Rüstung für die momentane Zeit.

Franz Erhard Walthers in einer Videoaufnahme

Eine Brücke zwischen Kunst und Leben öffnet Theaster Gates mit den eindrucksvollen Momenten zu Fragen der Geschichte, Spiritualität und der Plattensammlung des schwarzen Athleten Jesse Owens in der Installation „Black Chapel“. Auch hier modelliert der Betrachter und beim Durchblick der Sammlung klingt im inneren Ohr der charismatische Sound von Motown. Black is beautiful und ich muss leider zugeben, so eine Sammlung hätte ich auch gern. Comes time, comes shine, comes Motown…

Natürliches Glas kann man in der Wüste immer wieder finden. Es entsteht im Quarzsand durch Blitzeinschlag oder kleinere vulkanische Tätigkeiten. Ich war selbst viele Male im „Empty Quarter“, der Rhub al Khali, der großen Arabischen Wüste. Monira al Qadiri zelebriert ein Hochamt für das Leere Viertel. Die Glasskulpturen im abgedunkelten Raum der Video- und Soundinstallation in der Kapsel 12 entführen schnurstracks, im Inneren modellierend, in die eigenen erlebten Tage inmitten der Sanddünen zwischen Jemen und Saudi Arabien. Ich bin ganz allein im Schwarz, kann die Wüste riechen und spüren. Kullu shi tamam zadik – alles ist gut mein Freund. Inshallah

Unterwegs in der Rhub al Khali – das Leere Viertel

Nahezu ganz allein das Haus der Kunst, das selbst zum Leeren Viertel wird. Ich hätte nicht einmal Nähe praktizieren können, denn wo keiner da, da auch kein Social Distancing. Das an aller Orten und in aller Munde gedehnte Hygienekonzept ist easy to handle, schlüssig, einfach und gut. Und bei soviel Stoff und Wüstenstaub schützt die Maske perfekt – auch wenn man sich so ganz alleine schlendernd frägt, wozu eigentlich. Aber dann sind ja doch noch die Mitarbeiter da und „ich, meiner, mir, mich“ gilt und geht einfach nicht.

Für mich ist es die intensivste Zusammenstellung im Haus der Kunst seit langem und wer die Option hat, am Vormittag zu kommen, wird ein unvergessliches Kunsterlebnis genießen. Ich hatte zuvor angerufen, ob ich mich anmelden oder ein Zeitfenster buchen müsste. „Nein,“ war die Antwort, „momentan ist sowieso fast nichts los.“ Doch, es ist etwas los! Denn die innere Modellierung und das Zusammenspiel aller drei Arbeitsebenen befreit von der inneren Schwere und verwandelt sich in sichtbare Freude. So befreiend kann Kunst in harten Zeiten sein.

PS. Der Parkplatz des Haus der Kunst liegt zwischen Eisbach und Museum und kostet für 2 Stunden 3€. Genutzt wird er eigentlich nur von den Eisbachsurfern.

Info: www.hausderkunst.de