Der mit dem Leopard…

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…tanzt. Traum und Wirklichkeit liegen in Indien weit auseinander. Sehr weit sogar. Da finden sich an einfachen Bauernhäusern die verwegensten Gestalten für die legendären Bollywood-Filme verewigt. Natürlich in reißerischer und heldenhafter Pose. Kerle, Männer, coole Typen…die mit ihren Pausbacken und Schnurrbärten aussehen wie aus einer anderen Welt. So ganz können wir das natürlich nicht ernst nehmen. Im Süden Indiens, in Tamil Nadu, hat man ein eigenes Bollywood gegründet, dass die Mumbaifraktion schon längst überholt hat. Die Handlungen sind noch einfacher gestrickt, die Typen noch etwas schmalziger und natürlich ist alles noch einen Tick weniger professionell. Denn Filme sind Massenware, oftmals haben sie nur eine Halbwertszeit von ein paar Tagen. Kein Wunder also, dass sich auch fadenscheinige Politiker wie dieser Herr von der Tamil-Partei sich des erfolgreichen Klischees bedient und aih als cooler Leopardenheld an die Wand malen lässt. Wie weit die Welt zwischen all den schmuddligen „Helden“  und den einfachen Leuten auf dem Dorf auseinanderklafft, wurde heute bei einem Spaziergang durch ein ganz normales Dorf mal wieder mehr als nur deutlich. Für den alten Mann und die alte Frau ist in dieser Traumphantasieschmalzwelt sicher kein Platz. Indien ist einfach eine Welt der krassen Gegensätze, die doch immer wieder auch zueinanderfinden. Eben incredible.

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„Incredible India“ ist…

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…ein wirklich treffender Slogan für die bunte Vielfalt dieses so unterschiedlichen und gegensätzlichen Landes. Vor allem Südindien begeistert durch seine Farben und Formen. Und wer meint, all die bunt bemalten Tempeltürme seien kitschig, der tut dem ganzen Unrecht. Ist man einmal vor Ort, verschmelzen all diese pastellenen, manchmal schrill bunten Farbtöne in ein harmonisches Ganzes und sind alles andere als fehl am Platz. Es ist die Vielfalt und die Vielseitigkeit, die immer wieder begeistert und fasziniert. Nach einer Woche intensiver Tempelrunde birgt jeder neue Tempel trotzdem und auch immer wieder eine neue Überraschung. Wenn wir uns dann noch von unseren Vorstellungen und Vorurteilen etwas frei machen, dann sind die Geschichten um die Götter, um ihre Liebenswürdigkeiten und Eitelkeiten, irgendwie menschlich. Wahrscheinlich sind sie sogar der Schlüssel zu einem besseren Verständnis. Jedenfalls bietet Südindien ein breites Spektrum an Eindrücken, die uns Besucher aus dem Westen durchaus zum Nachdenken anregen sollten. Wir leben in einer heilen Welt und wollen es oft nicht wahrhaben. Unsere Aufmerksamkeiten lenken wir auf Dinge, die bisweilen aus der Ferne betrachtet, bisweilen durchaus als Nebensächlichkeiten oder Eitelkeiten gelten können. Das Leben hier ist für die meisten weniger eitel. So waren wir heute auf dem Blumenmarkt in Madurai, eine  Großmarkt für Blüten, nicht für ganze Blumen. Der ganze Tagesumsatz an Ware geht an die Tempel. Es ist schon faszinierend, mit welcher Sorgfalt und Hingabe dann aus den Blüten und Blütenblättern Blumengirlanden entstehen. Wieviel Sorgfalt und Genauigkeit dafür notwendig ist. Und all dies geschieht in einem ärmlichen und meist wenig sauberen Umfeld. Dreck, Schmutz, Armut, Krankheit, all diese so unguten Umstände halten die Menschen hier nicht davon ab, mit viel Energie und manchmal auch Imbrunst ihren alltäglichen religiösen Pflichten nachzukommen. Vielleicht sollten sie einen Teil ihrer durch diese widrigen Lebensumstände ohnehin reduzierten Energie für etwas anderes verwenden. Mag sein. Vielleicht aber ist es auch ein Moment, der ihnen Mut gibt, trotz der wenig aussichtsreichen Zukunft nicht zu verzweifeln. Unsere Hybris jedenfalls ist fehl am Platz. Wir hätten in diesem harten Leben keine Chance. Mit oder ohne Tempelblumen. Incredible India.

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