Frühlingswandern am Atlantik…

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… nach den kalten Wintertagen sorgt Portugals Süden für ein erstes, lang ersehntes Durchatmen. Sonne, Klippen, blauer Atlantik. Frühlingshafte Blütenpracht schmückt die südliche Steilküste Portugals. Auf der „Rota Vicentina“ im südlichen Alentejo und entlang der alten Pfade der Klippenfischer kann man unbeschwert dem Frühling entgegen wandern.

Unsere Wanderreise mit www.entdeckertouren.com/67245  vom 7. – 14.4.2018

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Zambujeira do Mar im südlichen  Portugal thront majestätisch über der Atlantikküste. Es ist einer dieser Orte, derentwegen man vielleicht Postkarten erfunden haben mag. Denn mehr als malerisch leuchtet über der weit ausladenden Bucht das kleine weiße Kirchlein auf einer steilen Felsklippe. Wie ein Signal der Zuversicht ragt es hinaus in die blauen Wogen des Atlantiks. Um den Fischern in ihren kleinen Nussschalen die Heimfahrt zu zeigen und um den Touristen einen Ausblick auf die ewig anrollenden Wellen des Atlantik zu gewähren. Unter dem Kirchplatz öffnet sich die weite und flache Sandbucht. Ein großes, imposantes Amphitheater mit schroffen Felsklippen als Ränge und dem weiten Meer das Auditorium. Schöner und beeindruckender kann eigentlich kein Startpunkt für eine Küstenwanderung sein. So schwenken die Blicke von den grauen Felswänden über den gelben Strand zum dunklen Blau. Der Blick verliert sich am gekrümmten Horizont. Knapp 5700 Kilometer weiter liegt Amerika. Die Küste von New Jersey, vielleicht das südliche New York. Dazwischen sind nur Wasser, Himmel und unendlich viele Wellen.
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Durchatmen, entspannen, wandern. Körper und Seele lechzen nach den ersten lauen Tagen, den ersten wirklich warmen Sonnenstrahlen und den Farben des Frühlings. Während sich bei uns der Frühling noch bitten lässt, leuchten hier bereits Ginster und Mimosenbäume in kräftigem Gelb. Lila blühende Löwenmäulchen widerstehen standhaft den Meeresbriesen. Weiß, gelb und violett blühende Mittagsblumen sorgen für ein farbenfrohes Wechselspiel. Die Sonne zeigt ihre Kraft. Vergessen sind Schal und Mütze, jetzt bedarf es Sonnenhut und Wanderkleidung.
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Die Rota Vicentina gilt als einer der schönsten und berühmtesten Fernwanderwege im südlichen Europa. Natur pur im Wechselspiel von Steilklippen, Meer, Macchia. Die Etappenziele der mäßig anstrengenden Tagesziele sind kleine, vergessene Ortschaften. Keine Hektik, kein Stress – einfach nur Wandern und Durchatmen.  Deswegen führen die meisten Tagesetappen entlang der spektakulären Küste. Ohne nennenswerte Steigungen, immer aussichtsreich am Kantenabbruch entlang. Es geht durch mediterrane Macchia, über sandbedeckte Dünen und durch felsgeprägte Klippenlandschaft. Vielfältig und abwechslungsreich wäre schlichtweg untertrieben. Man kann sich nicht sattsehen: Felsen, Stränden, Atlantik. An bizarren Felsnadeln thronen kunstfertig gebaute Storchennester. Bewohnt, manchmal mit Nachwuchs, trotzen sie selbstbewusst Wind und Wetter. Bucht für Bucht eröffnet sich und der Blick von oben mahnt, wie sauber Strände sein können. Nicht jede der Buchten ist zugänglich. Für die Sauberkeit sorgt ein anderes Phänomen. „Wir Portugiesen achten auf unsere Strände, “ lobt sich Wanderführer José und gesteht, „aber es ist auch die Strömung. Sie treibt den Müll vom Meer gen Norden.“ Sonne, Meer, eine aufblühende Vegetation – es ist ein wunderbares Gefühl nach einem langen Winter. Fast möchte man schon ins Wasser springen.
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Die Bucht der Sängerin
José spielt auf seinem Handy, plötzlich singt Amalia Rodriguez „Maria Lisboa“. Wir rasten oberhalb einer Bucht und lauschen der Mischung aus Wellenklang und Fado. Amalia Rodriguez war die berühmteste aller großen Fadosängerinnen, eine Maria Callas der Schwermut. „Fado“ bedeutet Schicksal und Amalia war die unangefochtene Schicksalskönigin. Als Amalia Rodrigues 1999 verstarb hatte Portugal die Stimme verloren. Mit warmem, konturenreichem  Timbre hatte Amalia von Abschied, Sehnsucht, Saudade, Zärtlichkeit und verlorener Liebe gesungen. Wir stehen an der  Baja Amalia, an ihren Klippen thront verlassen das Landhaus von Amalia Rodrigues. Die Bucht, der kleine Strand und der Alentejo waren ihre große Liebe. Das einstige Refugium ist verlassen. Geblieben sind ihre Lieder wie von  „Maria Lisboa“: „… aus Muscheln ist ihr Kleid, Algen hat sie im Haar. Sie verkauft Träume und Salzgeruch…“ Kurz hinter Amalia´s Bucht ist die erste Unterkunft. Ein kleines Landgut mit charmant eingerichteten Zimmern, Pool, Sonnenliegen, einer Espressomaschine und einer kleinen Bar mit eisgekühlten Sagres-Bier.

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Ein Netz von Wegen…

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Die Rota Vicentina ist ein Weitwanderweg und vielleicht einer der stimmungsvollsten Trails in Europa überhaupt. Nicht umsonst wurde er unter die zehn besten Trails weltweit gewählt. Entlang der sanft ansteigenden Steilküste führt er von Santiago do Cacém zum südwestlichsten Punkt Europas zum legendären und markanten Leuchtturm am Cabo Sao Vicente. Ein Küstenwanderweg, der auch die kleinen Ortschaften und Dörfer im Inland verbindet. Der Südwesten ist die am dünnsten besiedelte Region des oft menschenleeren Portugals. Manchmal sind es weniger als hundert Einwohner und nur wenige Orte liegen wie Zambujeira direkt am Meer. Zwar sind die Trails gut markiert, aber Hotels und Pensionen sind eben im Landesinneren. Wanderlogistik und Versorgung erfordern dann ein gewisses Fingerspitzengefühl, Gepäcktransfer und ein eigener Wanderbus erhöhen den Wanderkomfort.  Die aussichtsreichsten Etappen des insgesamt 450 Kilometer langen Wandernetzes sind zwischen Zambujeira do Mar und Cabo Sao Vicente. Sie führen durch die menschenleere Küste des Naturparks Südwest-Alentejo und Costa Vicentina, des Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina. Hier erstreckt sich an der Atlantikküste über eine Länge von 80 km und einer Fläche von 75.000 ha ein wahrhaft einzigartiges Naturparadies. Steilküste, donnernder Atlantik, sandige Buchten und die menschenleere Einsamkeit eines Naturparks, der besonders im Frühling mit üppigster Blütenpracht auftrumpft.
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Im Landesinneren
Die Küste ist und bleibt auf dem Weg gen Süden das große, faszinierende Schauspiel. Aber immer wieder zwingt uns der Weg ins Landesinnere. Orte wie Odeceixe und Aljezur haben bis heute den ländlichen Charme bewahrt. Zumindest in den Wintermonaten und im Frühling. Das alte Stadtbild ist erhalten, auch wenn in den Sommermonaten die meisten Häuser als Ferienwohnungen vermietet werden. Verschlafen präsentiert sich der alte Dorfkern von Odeceixe am mäandrierenden Flusslauf des Ribeira de Seixe. Statt mit Landwirtschaft verdient man sein Geld inzwischen mit Tourismus – aber eben nur im Sommer. Den Rest der Tage träumt der Ort seinen Dornröschenschlaf und bietet Besuchern und Wanderern Entschleunigung pur. Restaurants und Bars haben erfreulicherweise geöffnet. Auch Aljezur glänzt durch unaufgeregtes und entspanntes Ambiente. Überragt von einem maurischen Kastell kann man sich heute kaum vorstellen, dass Aljezur (aus dem Arabischen Al Jazira=die Insel) einstmals eine landwirtschaftliche Handelsoase war. Die Sarazenen errichteten sogar ein Kastell und einen ins Landesinnere verlegten Flusshafen. Die wirtschaftliche Versorgung der Region übernimmt heute ein Supermarkt. Der einzige im Umkreis von etwa 30 Kilometern.
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Fisch, Muscheln, Wein – eine Küche im Wandel…

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Nach einem langen Wandertag steht einem der Sinn nach etwas Handfestem. Portugals Küche ist nicht unbedingt bekannt für kulinarische Hochgenüsse. Aber es ist ein erfreulicher Wandel zu verzeichnen. Mit etwas kulinarischem Fingerspitzengefühl findet man kleine, feine Lokale. Sie werden von jungen heimischen Köchen betrieben und präsentieren einfallsreiche, frische Kost. Hut ab, vor allem bei Fisch und Muscheln! Die Klippenfischer leisten gute Arbeit. So luftig und ausgesetzt ihre Angelplätze auch sein mögen, so frisch und schmackhaft sind ihr Fang und ihre Muschelbeute. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Lokalen, die diese wertvollen und fangfrischen Zutaten auch kreativ modern umsetzen. Hier kommt dann der Thunfisch in Sesamkruste statt in Zwiebeltunke. Um den richtigen Wein zum Abendessen braucht man sich keine Gedanken machen.  Bei Weinkennern ist Portugal schon längst kein Geheimtipp mehr. Es bleibt nur die Qual der Wahl, ob weiß oder rot, ob kräftigen Alentejo oder eleganten Douro. Und liegt dann ein Lokal wie das „O Paulo“ in Arrifana direkt an der Klippe und man beobachtet  den Sonnenuntergang über dem Meer, dann ist die Welt wieder einmal rundum perfekt.

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Der schönste Strand, der schönste Leuchtturm
Sieben Tage Wandern entlang der Küste. Das große Finale ist der Leuchtturm von Cabo Sao Vicente. Es ist der südwestlichste Zipfel Europas und seit dem Neolithikum ist diese markante Spitze ein Wallfahrtsort. Das Kap ist Vinzenz von Saragossa, dem Schutzpatron der Seefahrer und Namensgeber der Costa Vicentina gewidmet. Plakativ und malerisch platziert sendet der Leuchtturm bis heute nachts  Signale. Sein Lichtkegel reicht bis zu 60 Kilometer in den Atlantik. Es ist der lichtstärkste Leuchtturm Europas. Hier gibt es in einer Imbissbude mit „der letzten Bratwurst vor Amerika“ und hier endet auch die Rota Vicentina. Eine letzte Frage aber sei noch beantwortet. Der schönste Strand, die schönste Bucht? Praia do Bordeira bei Carrapateira! Man kann ihn nicht verfehlen, wenn man auf der Rota Vicentina wandert, denn es ist der längste Sandstrand. Und eben der schönste.
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So, jetzt ist es dann…

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…auch mal genug mit all dem Tropeninselgeträume. Es ist der dritte Nachmittag und inzwischen kennen mich alle auf der Insel, ich kenne (bis auf einige schleiertragende Mädchen und Frauen) auch alle und so langsam könnte man sich an den Müßiggang gewöhnen und wirklich einmal nichts tun. Auch nicht followtheguide schreiben. Aber dem Tropeninselmüßiggang setzt das Schicksal oder die Vernunft oder irgend eine andere weit vorausblickende Macht sowieso deutliche Zeichen, wie etwa dem, dass heute doch mehrere indische Familien angekommen sind, von denen eine mich so freudestrahlend fragte, ob ich nicht mit ihnen einen Bananaboatride unternehmen möchte. Sie kennen halt meine Spaßtoleranz nicht, ich habe mich auch sehr freundlich und höflich für diese besondere Ehre bedankt, aber dann doch verzichtet.

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Zum anderen kommt es heute verstärkt zum Kokosnussabfall, was ich zunächst einmal als Abwehrreaktion der Insel gegen den verstärkten touristischen Besuch (nachdem heute auch ein Franzose und ein sehr eigenwilliger, mit Socken schnorchelnder Engländer aufgetaucht sind) gewertet habe. So nach dem Motto „Wenn die Kokosnüsse fallen, dann sind es zu viele Fremde auf der Insel“. Nach reiflicher Überlegung fand ich das unwahrscheinlich und dachte, der Abfall der Kokosnüsse hänge mit einem Wetterwechsel zusammen. Aber dann war doch wieder alles beim alten und die Nachmittagssonne zaubert Traumlicht wie immer. An eine Geschichte mit Robinson und fallenden Kokosnüssen konnte ich mich auch nicht erinnern. Vielleicht, denke ich mir inzwischen, will mir die Insel einfach sagen, „so Burschi, du verschwindest jetzt, denn zu lange sollte man sein Glück nicht strapazieren!“ Ich denke, das haben die Kokosnüsse mit meiner Familie zu Hause im winterkalten Deutschland so abgesprochen und wo sie Recht haben…

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Also mehren sich die Zeichen der Abreise. Auch die Sandbank hat mir ein deutliches Zeichen gegeben, nachdem ich fast einen Herzstillstand hatte, als ich mich beim Schnorcheln umdrehte und am weißen Grund einen schwarzen Schatten bemerkte. Hai war mein erster Gedanke, doch ich musste feststellen, es wäre ein Kugelhai gewesen – so war es eben nur mein eigener Schatten. Dass ich dann beim Aussteigen noch eine Seeschlange entdeckte (die sich später als weißer Seeaal (tolles Wort – zwei ee, zwei aa) entpuppte)) und die für eine weitere Schrecksekunde sorgte, war Hinweis genug, dass ich als Mann der Berge jetzt mein Risikopotential ausgeschöpft habe. Wie gesagt, „So, Burschi, jetzt ist aber genug mit Robinson!“ Also ich kann jetzt dann gut fahren, zu viel nichts tun ist auch anstrengend. Salü Freitag, bis zum nächsten Mal…

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Ein archäologischer…

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…Spaziergang. Es gibt nämlich auch noch Reste aus früheren Tagen, als man wohl versucht hatte, der Insel etwas mehr Leben einzuhauchen. Beim täglichen Inselrundgang komme ich an der Erste-Hilfe-Station vorbei, die tatsächlich besetzt, aber halt nicht ausgestattet ist. Auch eine Polizeidepandance gibt es, aber auf der ganzen Insel keinen Polizisten. Wozu auch, nicht einmal wir Europäer sperren unsere Hütten ab, nur die indische Gäste sind gewohnheitsbedingt etwas vorsichtiger. Die ehemalige Entenfarm ist verfallen, ansonsten sind es nur ein paar Fischer, Kokosbauern und die Hotelangestellten. Achtzig Leute und damit ist Schluss. Ja, und dann gibt es an einer verfallenen Hütte, dieses wunderbare funky Bild von Gandhi GE. Vielleicht war ja doch einer der frühen Hippies hier einmal Inselkönig…

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Auch die Moderne hat Einzug gehalten. Man liebt auf der Sandinsel Fahrräder. Einer nicht gesicherten Quelle zu Folge habe man dies von Sylt abgeschaut. Natürlich Quatsch, aber es ist wirklich schön anzusehen, wenn einer der hiesigen Bewohner mit Achtsamkeit, Bedacht und voller Konzentration in slow motion den Sandweg entlang radelt. Das beliebtestes Model heißt „Lady Bird“. Schön. Fahrraddiebstahl ist auch kein Thema. Am Gepäckträger hängt oft ein Kanister mit  Kokosessig. Wieder so ein italienisches slow food Ding! Am ersten Tag ist es Kokoswasser, nach drei Tagen der dem Sauser ähnliche Toddy, nach vierzig Tage kostbarster Kokosessig.

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So biegt sich also hier in kleinen Kurven die Zeit und mit jeder Biegung lernt man mehr dazu vom Inslleben und läuft man Gefahr, sich weiter voom heimischenAlltag zu entfernen. Das geht schnell, wenn man nicht aufpasst. Hatte Robinson nicht versucht, ein Fahrrad zu bauen? Immerhin gibt es in Hipster-München Fahrräder aus Bambus, kosten nur mal eben ein, zwei schlappe Tausend Euros. Wäre doch was für hier, wo Bambus wie aunkraut wächst, das Kilo Reis einen Rupie kostet, 80 Rupien ein Euro sind und ein Tagelöhner im kommunistischen Kerala zwischen 150 und 300 Rupien am Tag verdient. Da kann man nachvollziehen, dass manchmal weniger mehr ist. Besonders in diesem Umfeld. „Low tide coming, Sir“ – es wird Zeit für die Sandbank. Also wieder nichts mit nichts mit der Lektüre. Man kommt auch fast zu gar nichts hier. Robinson und Freitag lassen grüßen…

 

 

Inselgefahren oder im „inner…

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…circle“. Heute Nacht hat es zweimal einen so richtig dumpfen Knall gegeben. Klar, wenn eine Kokosnuss aus etwa 15 Metern Höhe zu Boden fällt, knallt es eben. Wohl dem, der nicht gerade in der Fallline spaziert. Der schwer unterbeschäftigte Chef der Anlage sieht alles mit stoischer Gelassenheit. Seit er hier Chef sei, habe es definitiv keinen Zwischenfall zwischen Kokosnüssen (die wohl die Gewinner) und Gästen (die wohl die Verlierer bei diesem Zusammentreffen wären) gegeben. Also erzähle ich ihm von der Wahrscheinlichkeit, dass mehr Menschen von Kokosnüssen erschlagen werden, als vom Hai gefressen. „No problem, Sir! No sharks, only somtimes“, lacht der von jeglicher Herzattacke weit entfernte Manager und erklärt mir, dass, wenn Haie kämen, es nur große seien, und die wiederum interessieren sich nicht für Kokosnüsse.

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Ok, das mit den Haien leuchtet ein, denn die Insel ist umgeben von einem Riff, an dem sich in vier bis fünf Kilometern Entfernung die Wellen brechen. Und dieses Riff ist nicht nur eine Haibarriere, sondern auch eine Zweit- und Wirklichkeitsschleuse. Alles, was innerhalb des Riffs ist, gehört zum „inner circle“ und liegt im Ring der Kraft. Wenn sich mal wirklich ein gelangweilter Hai hierher verliert, dann ist er nur aus Neugierde während der „high tide“ dem Zufahrtskanal zur Insellagune gefolgt. Und damit landet er automatisch am Strand und bis er eben wieder den Ausgang gefunden hat, beschäftigt er sich damit, auf und ab zu schwimmen. Ist ja sein gutes Recht und immerhin sein Meer.

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So folgt also das Leben hier auf dieser Insel, die man in 30 Minuten umwandert hat, seinen eigenen Gesetzen. Auf der ganzen Insel etwa gibt es keinen natürlichen Stein. Nur Muschelkalk und Korallensand und Palmen und im Süden ein paar Mangroven. Durchquert man auf einem der vielen kleinen Pfade die Insel, stößt man unweigerlich auf einen kleinen malerischen Brackwassersee. Der ist der stete Quell und Hort der wenigen Mücken und dank des niedrigen Grundwasserspiegels der Ursprung des sulfiden Brauchwassers. Aber damit haben die wenigen wirklichen Inselbewohner kein Problem. Sie graben kleine Gruben in den Sand, die füllen sich mit dem sulfiden Grundwasser und werden dann als Badezimmer genutzt. Die indischen Gäste in der Anlage diskutieren etwas pikiert über den Geruch des Wassers und wir vier Europäer – uns ist es egal ob des traumhaften „hideaways“. Die drei Italiener loben sogar den wohltuenden Nutzen von Schwefelbädern und erzählen von den Preisen in Saturnia. Also ergänze ich die Diskussion um den Wert der lokalen Spezialitäten wie gebackenen Ziegenjoghurt von der Insel. Veramente slow food at his best.

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Was macht man, wenn man…

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…nichts macht? Eigentlich nicht viel, aber dann ist es doch wieder eine ganze Menge. Gedanken ordnen und Fotos auf der Kamera und dem IPhone sortieren, ein Buch lesen, kurz einnicken bei 35 Grad, um dann total verschwitzt wieder aufzuwachen. Ja und ab und zu mal ins Wasser. Mit dem Motorboot rausfahren zum Schiffswrack und eintauchen in ein schier unendliches Meer voller Korallenfische. Superschön, jetzt ist Flut, das Wrack liegt auf knapp zwei Meter Tiefe und es wimmelt nur so von leuchtenden Fischen. Ganz klein, klein und mittelgroß.

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Ja und was macht man, wenn man nichts macht? Die Frage gilt natürlich auch für die Belegschaft. Immerhin sollen es 80!!! Leute sein, die in dem kleinen und einzigen Inselressort arbeiten. Ok – um 9.30 kommt der Service. Eine junge muslimische Dame mit Besen in Begleitung von fünf Männern. Einer trägt frische Handtücher und ein anderer eine Wasserflasche. Ein Liter pro Tag – das genügt natürlich nicht, aber man kann ja noch eins kaufen. „Room cleaning?“, lautet die optimistische Frage. Ich winke mal ab, heute noch nicht. Damit ist der Arbeitsauftrag für heute erledigt. Mehr gibt es im Paradies nicht zu tun. Der Trupp hat damit für heute frei. Aber dieser spartanische Alltag ist der Luxus schlechthin. Am zweiten Tag ist man schon definitiv voll auf Atollmodus. Langsame Bewegungen, wenig denken, einfach nur relaxen. Das schweflige Wasser ist längst Alltag, die Boys auf der Insel kennen einen und grüßen zwanzig Mal am Tag. Man hat ja sonst nichts zu tun. „Good morning Freitag – nice to see you.“ Again and again…

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So abwechlungsreich vergeht ein Tag des Nichtstuns, an dem man doch irgendwie den ganzen Tag beschäftigt scheint. Und da man inzwischen ja die Inselgeschwindigkeit angenommen hat, in der die Uhr keine Rolle spielt, sondern der Sonnenstand und die Gezeiten, ist man schon absolut akklimatisiert. Der Sonnenstand ist wichtig wegen den Schattenplätzen und die Gezeiten wegen den kleinen Aktivitäten. Low tide ist die optimale Zeit, um auf die vorgelagerte Sandbank hinüberzuwaten und von dort aus zu schnorcheln. Nachdem es der junge Mann vom „actity center“ mir auf dem Weg zum Lunch so dringend empfohlen hat, solle so sein. Zugegeben, es klingt alles etwas frech, aber so ist es nun mal. Low tide – also raus zur Sandbank und rein ins wannenwarme Wasser. Irgendwie scheinen kleine Korallenfische Gefallen an großen weißen Walfischen zu finden. Binnen Sekunden bin ich eingehüllt in einen riesigen Schwarm kleiner, bunt schillernder Silbertropfen. Wenn die Zeit in Indien langsam vergeht und auf der Insel schleicht, dann bleibt sie am Korallenriff stehen. Nur das Wasser im Schnorchel stört. Aber bitte nicht klagen, Robinson hatte nicht einmal eine Taucherbrille…

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Robinson war ein…

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…einfacher Mensch. Zumindest während der Jahre auf der Insel. Wenn man sich also in so eine Robinsoniade wie die Lakkadiven stürzt, dann sollte man schon darauf gefasst sein, dass das ein oder andere auf einer Koralleninsel einfach einfacher ist. Dann kann man die Tage auch genießen. Ohne Wifi, ohne Fernseher, ohne Autolärm und Abgase, dafür einfach nur Korallenriffe, Palmen, blaues Meer, weiße Strände und vorgelagerte Sandbänke und Riffe, die für ein filmreifes Szenenbild sorgen. Nur so ganz einfach hinzukommen, ist es nicht. Denn das Inselatoll bedarf eines besonderen Permits und auch der Flug muss rechtzeitig gebucht sein. Seelig also, die dies wissen und dementsprechend vorbereitet sind.

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Schon der Landeanflug war ja absolut spitze – aus dem blauen Nichts taucht das winzige Atoll von Agati auf, das außer der Landebahn und ein paar Hütten nicht viel zu bieten hat. Eine Landung auf einem Kokosnussatoll ist also einfach unschlagbar. Genauso wie die gut einstündige Überfahrt zur Nachbarinsel Bangaram. Auf so einem kleinen Nussschalenschiff so weit aufs Meer zu fahren ist absolut mutig – finde ich.

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Auf einem bunten Fischkutter im Zickzackkurs zwischen den Riffen hindurch. Es ist Ebbe und der Kapitän muss höllisch aufpassen, nicht gegen eine der Korallenbänke zu schrabben. Der Sohn des Kapitäns sitzt vorne, alle einheimischen Passagier, die mit auf dem Boot sind geben Handzeichen, wohin er nun steuern soll. Die einen links, die andern rechts, er verlässt sich auf seinen Sohn. Aber schon die Überfahrt bietet einen Delphinschwarm und eine Seeschildkröte zur Sichtung. Ein vielversprechender Auftakt.

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Bangaram ist eine der unbewohnten Inseln der Lakkadiven, wurde aber für ein wirklich sehr einfaches und staatliches Hotelprojekt freigegeben. Keralas kommunistische Regierung betreibt hier die Karibik des einfachen Mannes. Wenn man nicht viel mehr braucht als Robinson, dann ist es perfekt. Und es gibt sogar bezahlbares Bier, einfache Hütten, Wasser, Süßwasser mit Schwefelduft, Fliegengitter und die Korallenbänke vor der Bungalowtür. Nur mit meiner ersten Enklave war etwas nicht in Ordnung, das Wasser der Brause war schwarz und stank fürchterlichst. „Sorry Sir, no problem!“ meinte da der Chef an der Rezeption und rückte ein Zimmer im anderen Trakt raus. Sie hatten das Wasser aus der falschen Grube abgezapft. Ok, wer will sich da beschweren. Robinson hatte weder einen Rezeptionisten, noch Bier. Er hatte nur seinen Freitag, und das jeden Tag. Auch langweilig…

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