Es ist wichtig, es zählt! Eine Ausstellung…

…mit einem ungeheuren, wenn man den wieder neu in die Mode gekommenen Ausdruck nehmen darf, „Wumms“. „Sheela Gowda – it matters“ im Münchner Lembachhaus ist für jeden, der einmal in Indien war und der Indien liebt, mehr als eine Ausstellung mit raumfüllenden Objekten, sondern es ist eine spirituelle Reise zurück in vergangene Tage zwischen ungeheurem Lärm, Dreck, Menschenmassen, Elend, seltsamsten Gerüchen und einer dichten, den Atem stocken lassenden Schönheit und Spiritualität. Sofort, schon beim ersten Blick auf das komplexe System der Installationen, wird deutlich, dass Gowda ihre ganze Intensität in dieser Ausstellung verdichtet. Man ist sofort gefangen, hinweggebeamt in diesen einen, anderen, so gegensätzlichen Kontinent. Man möchte am liebsten sofort den Koffer packen und aufbrechen, um all dies noch einmal mit dieser gerade gespürten Intensität aufzunehmen und einzuatmen. Sofort erscheinen auf dem inneren screen Bilder aus New Delhi, vom Taj Mahal, Rajastan…nein, nicht die Sehenswürdigkeiten und Schönheiten, sondern die alltäglichen Impressionen, denen man so unfertig und unvorbereitet gegenübersteht. Dichter und ergreifender kann Indien und seine ganze Vielfalt wohl kaum in einen Ausstellungsraum gezaubert werden. Eine Ausnahmekünstlerin, die mit ihrer herzenswarmen, sympathischen Ausstrahlung den Besucher verzaubert. Gleich am Anfang an der schiefen Rampe „Where Cows Walk“, die extra für München geschaffene Installation.

Holy Sh… streift es durch den Kopf, aber genau das ist es: Indiens urtiefe Spiritualität kombiniert mit einer grenzenlosen Armut und der souveränen Leichtigkeit, doch alles in ein ergreifendes Kunstwerk zu erheben. Sofort kommen die Gedanken wieder an indische Malerei, an kunstfertige Steinmetzarbeiten, an das Taj Mahal. Gowda, die niemals den lebensnotwendigen Bezug zur überall herrschenden sozialen Ungerechtigkeit verliert und sich nicht die Blöße gibt, nur dazustellen, weckt mit einfachsten Mitteln und Verdichtungen das Gewissen. Das ausgestellt Taj Mahal aus schwarzen, plattgewalzten Blechen und Ölfässern wird zum „Darkroom“, einer für uns nicht greifbaren Zuflucht. Wer einmal in Indien die bitterst armen Straßenarbeiter aus Bihar am Wegesrand gesehen hat, kann sich vorstellen, dass so ein Taj ein Schloss ist, in dem die Sterne von der Decke funkeln…

Schlendert, sofern man in so einer Ausstellung von schlendern sprechen mag, man durch die 200 Küchenmörser aus Granitblöcken, ist man vollends aus dem Raum genommen und hat sofort das ganze Spektrum der geruchsintensiven Assoziationen an Indiens Bazare und Küchen im Kopf und in der Nase. Der Duft von Curry und Kurkuma, Ingwer, Senfkörnern, Chili…die ärmlichen Küchen mit Lehmofen vor den Hütten, die Frauen in bunten Saris, die am Boden kauern und das Feuer anblasen und mit kurzem Blick den Vorbeigehenden wahrnehmen und willkommen heißen …nein, es ist keine billige, schillernde Reiseromantik, die einen beim „Schlendern“ befällt, sondern der tiefe Respekt vor einem wunderbaren Land und seinen Menschen, die mehr als nur oft in einer gänzlich unmenschlichen Situation überleben müssen. Mit einem ungeheuren „Wumms“ und einer sakralen Dichte holt Sheela Gowda diese Widersprüche in das etablierte München mit seinem manierierten Kunsttempel und dem angeschlossenen goldenen Cafe. Geht´s noch, mag man bei sich denken, und lässt das Cafe links liegen. Viel krasser könnten die Gegensätze kaum sein und selbst wenn man indienstyle nur Tee aus der Untertasse trinken würde – hier würde er jetzt nicht schmecken. It matters!