Das weite Herz

Reist man durch Georgien und hat man das quirlig, umtriebige Tbilisi hinter sich gelassen, werden die Tage ruhig und die Zeit streckt sich.

Als Gott die Welt erschuf, rief er alle Völker zu sich, um das Land zu verteilen. Alle waren da, nur die Georgier nicht. Wahrscheinlich hatten sie am Abend vorher gesungen, getanzt, getrunken und geweint, der Zeremonienmeister , der Tamarlan, sprach wohlmeinende Trinksprüche und am Ende lagen sich alle in den Armen. Als dann die Georgier doch noch kamen, immerhin mussten sie ja den Abend erst einmal ausklingen lassen, war Gott zunächst etwas verärgert. Alles Land war verteilt, nichts war mehr übrig. Wahrscheinlich aber waren es die sanften, melancholischen Augen und der warme Klang der Stimmen, die ihn dann doch umgestimmt haben. Kurzerhand, der Weltenschöpfer gab den Georgiern den Flecken Erde, den er eigentlich für sich selbst bestimmt hatte. Alle waren froh und glücklich und bis heute kommt Gott immer wieder einmal vorbei, um sich hier zu erholen. Ob es so war – nun ja. Aber diese uralte Legende, wie die Georgier zu ihrem Land kamen, zeigt in wenigen Worten ein großes Phänomen. Alles ist in dieser Geschichte verpackt, die Schönheit des Landes, die Freude und die Traurigkeit, die Liebe zum Wein und zu wehmütigen Liedern, der Stille Charme und die unendliche Freundlichkeit der Menschen. Nicht umsonst rückte Gott das raus, was er eigentlich für sich behalten wollte.