Karma, Käse, Kokosnuss…

…oder wie doch einiges durcheinander geht. Die letzten Wochen machte immer wieder verstärkt ein Begriff die Runde, bei dem doch so manchem trotz Brille die klare Sicht der Dinge fehlen mag, auch wenn er sich auf seinen Meister beruft. Es geht um den weit abgesteckten Begriff des Karmas als Bilanz der vorhergehenden Taten in einem anderen, früheren Leben. Auf der Thangka links oben erkennt man Yama, den Totengott, alles andere als ein freundlicher Geselle, der das Rad des Lebens und den Kreislauf der Existenzen in seinen Klauen hält. Er verwaltet sinnbildlich, denn gesehen hat ihn so noch keiner, als Yidam im Tibetischen Buddhismus die Wiedergeburten und die Bilanz der guten und schlechten Taten. Und irgendwo im Rad sind auch wir Menschlein. So, nun mag man schnell denken, weil ich einen Haufen Geld auf dem Konto habe, muss ich in meinem früheren Leben ein ziemlich guter Mensch gewesen sein und weil grad so vieles extrem schief läuft, gibt es ein kollektives Weltversagen der vorhergehenden Generation zwischen Nord- und Südpol. Nennt man das nicht Kollektivschuld? Sollen wir also an dieses Kollektivschuld-Karma glauben und jetzt ergeben wider bessrem Wissen die Suppe auslöffeln? Gefangen in der Hölle wie die Hungergeister im Lebensrad, deren Kehle so eng ist, dass sie keine Speisen mehr aufnehmen können? Bei so viel profanem Geschwurbel dreht es selbst Yama den Magen um. Und der ist einiges gewöhnt, treibt er sich doch meist auf dem seelischen Leichenacker rum.

Nun denn, vielleicht hilft ja der Boddhisattva (Erleuchtungswesen) Manjushri, der mit seinem Flammenschwert die Ignoranz und Dummheit der Menschen durchschneidet. Übrigens hab ich alle bei mir versammelten Boddhisattvas gefragt – sie lassen sich alle impfen, immer und immer wieder, bis auch das letzte Lebewesen auf dem rechten Pfad ist. Avolokithesvara, der Boddhisattva des Unendlichen Mitleids meinte nur, „das ist unser Job. Schließlich haben wir Bodhisattvas schon wegen weniger aufs Nirvana verzichtet.“

Es mag ja sein, dass man Karma so mal ganz locker über den Hocker kollektiv sieht, weltweit, weil halt auch eine Pandemie das „ganze Volk“ betrifft, und dann dieses Karma als schnelles und bequemes Erklärungsmuster für alles nimmt, wofür man es gerade braucht. Ganz so einfach aber ist das nicht, denn Karma als die Bilanz der guten und schlechten Taten ist keine offene Rechnung für die man jetzt bezahlen muss. Meinte schon der Dalai Lama, und der kennt sich da vielleicht aus. Wie Karma genau wirke, dafür sei eine lange buddhistische Geistesschulung (haben die meisten ja eh…) erforderlich: „Die Lehre von der Leerheit – das ist eine der höchsten philosophischen Schulungen – das sei relativ zugänglich, aber Karma, das sei eine verborgene Wahrheit, die sei nur dem Buddha zugänglich.“

Karma ist also wie vieles im Buddhismus, kein greifbares Phänomen, sondern ein Bild und Hilfskonstrukt, um Menschen wie uns dazu zu motivieren, möglichst gut zu leben. Heute, hier und im jetzt und im Miteinander der Menschengemeinschaft. Ohne religiöses Brimbamborium, sondern nur ganz edel und hilfreich gut miteinader. Übrigens im ursprünglichen Wortsinn der Sympathie, des Mitleidens, und nicht im Sinne des Ego. Denn das Ego zu überwinden, ist mit das höchste Ziel auf dem Weg zur Buddhanatur. Nochmal Klartext: Es gibt keine offene Rechnung, denn im buddhistischen Sinne kennt man die Rache nicht. Und, das mag vielen Karmafreunden auch aufstoßen, weil es im Sinne von „ich für die anderen und nicht ich für mich und meine Freiheit“ gemeint ist. Das Nichtanhaften an Dingen und Denken ist gefragt, damit man weiterkommt. Also nochmal: Karma ist keine offene Rechnung, sondern das Hilfskonstrukt für schwache Menschlein, sich möglichst emphatisch und gut durchs Leben zu bewegen. Und übrigens, bei all dem Bockmist, der gerade aufbricht: das momentane karmabezogene Handeln würde selbst wieder Leid verursachen und gäbe fürs nächste Leben alles andere als ein gutes Karma. Zefix, nix ist fix, nicht einmal karmafix….

Vielleicht läutert ja etwas Lektüre den trüben Blick. Sabriye Teberken, selbst blind, hat sich jahrelang um blinde Kinder in Tibet gekümmert, die eben wegen diesem missverstanden Karmakäse von ihren Eltern verstoßen, weggegeben oder nicht beachtet wurden. Gruseliger und gefährlicher Unfug des Hirns, ichbezogen und absolut daneben. Nur weil das Kind blind ist und man meint, urteilen zu dürfen und können, das dies auf ein Vergehen im früheren Leben eines Kindes zurückzuführen ist. Karmarichter Yama als Yaknomade im Hochland von Tibet oder gar als Wissender in anderen bergigen Gefilden wie den Alpen. Brrrrrr!

Umgebrochen auf ganze Volksgemeinschaften (nehmen wir mal Kambodscha und Pol Pot) oder komplexe weltweite Situationen sind wir dann schon ganz schön mitten drinn im Faschodenken. Freunde!!! So funktioniert in mancher Denke vielleicht die Welt, nicht aber das buddhistische Denken. Und weil Herr Steiner sich da an dem Begriff des Karmas auch immer wieder abrubbelt, mag man dies vielleicht auch in einen zeitlichen Kontext setzen und sich nochmal das Büchlein “Imperium“ von Christian Kracht zu Gemüte führen. August Engelhardt war ein Zeitgenosse ( 1875-1919 / Steiner 1861 – 1925) und hatte auch eine ziemlich krasse Eingebung und Idee und gründete die Schule der Kokovoren, der Kokosnussesser. Vielleicht haben wir das ganze Schlamassel jetzt nur, weil wir in unserem früheren Leben zu viel oder meinetwegen auch viel zu wenig Kokosnüsse gegessen haben? Vor allem die Eskimos! Also los ihr Denkritter der…

Lesenswert ist das Interview von Alex Rühle mit dem Religionshistoriker Helmut Zander in der SZ (Bild oben) https://sz.de/1.5471318

Ein ganz feiner Text – noch vor Corona! – aus dem Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunk.de/suende-schuld-und-vergebung-im-buddhismus-gutes-karma-100.html

Ein kleines buddhistisches…

…Triptychon am Fensterbrett mit sanft flatternder Unterstützung. Sieht fast ein bisserl nach Rückzug in die Einsiedelei aus, dem Streben nach höherer Erleuchtung. Stimmt aber nicht so ganz, denn so, lieber Kollege Buddha, hab ich mir das auch nicht vorgestellt im Winter 2021/22…

Zunehmend verschwimmen die Spuren der Wahrnehmung und die verschiedensten Wirklichkeiten und Wahrhaftigkeiten scheinen sich übereinander zu legen wie Einsicht und Einfalt. Vieles, was man sieht, entstammt mehr dem Wunsch, etwas sehen zu wollen denn der Wahrhaftigkeit. Bei so vielen Wissenden und Sehenden heute durchaus ein Thema. Da muss man einfach nur eins und zwei zusammenzählen oder zusammenlegen.

Einfach zum aus der Haut fahren oder zum Abheben. Ganz im Sinne von Heidi Bucher, zu bestaunen im Haus der Kunst, die uns zeigt, wie gefangen unser Denken in harten und weichen Strukturen und Schemata eigentlich ist. Ganz im Gegenteil von dem, was wir von uns denken…

So sollt ihr diese flüchtige Welt beschauen:

Wie einer Sommerwolke Wetterleuchten,

wie ein Stern im ersten Morgengrauen,

wie einer Flamme unbeständiger Schein,

wie einer Welle schnell verwehter Schaum,

wie ein Phantombild, ein Trugbild ohne Sein,

wie eines schlafverfallnen Geistes Traum.

Santideva

Demagogentracht und Schwedenfahne…

…malte Caspar David Friedrich nicht weit vorausschauend zum Thema Corona. Er wollte auch nicht als alter Mann, der Heimat den Rücken zugedreht, das Land verlassen und auswandern ob der schweren Lage zu Hause. Greifswald war zu seiner Jugend noch schwedisch. Im Gemälde, so romantisch es anmuten mag, dokumentierte Friedrich ein deutliches politisches Statement, indem er sich in der seit 1819 verbotenen Demagogentracht als Bekenner zur bürgerlichen Freiheit malte. Mit Schweden und den Demagogen und Corona beschäftigen wir uns heute wieder ganz schön viel. Aber so romantisch wie Friedrichs heransegelnde Schiffe im Bild „Lebensstufen“ an der nordischen Küste sind unsere Tage leider nicht mehr und Caspar David Friedrich hätte sich wohl stante pede impfen lassen. Im ging es um die Freiheiten, die wir heute manchmal so großzügig dehnen. Schweden hin oder her…

Auch die Installation der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota, „Internal Line“ beschäftigt sich mit dem Thema Freiheit. Unzählige rote Fäden umgeben hängende Frauenkleider, eingesperrt und vor dem sozialen Außenraum geschützt zugleich.“…Das Verhältnis von individuellem Freiheitsstreben und schutzversprechender Beschränkung klingt als Grundthema an.“ Also wieder einmal alles hochaktuell im Museum der Bildenden Künste zu Laipzsch…