Die Venedig Biennale 2022 ist…

…hochgelobt und doch muss ich leider sagen, dass es schon manchmal befremdlich ist, so viel Ethno vor so viel elitärem, weißen Publikum. Da fehlen einfach die Menschen, um die es geht, was z.B. bei der Biennale in Südindien, in Cochin anders ist. Trotzdem, ein paar “locations“ waren augenfällig und einige sogar richtig gut. Die Amerikanerin Simone Leigh etwa mit ihren auf die afrikanischen roots zurückgehenden großen Plastiken – eine echte Ansage. Vielleicht ein bisserl zu viel Onkel Tom´s Hütte, aber trotzdem ein starker Auftakt gleich am Eingang ins Arsenale und im amerikanischen Pavillon. Aber auch hier gilt, die letzte Biennale in Cochin mit den von den Dobi Wallas gewaschenen Hemden der in die Sklaverei verschleppten Inder, war definitiv direkter. Ein Stich ins Herz. Trotzdem – der USA-Pavillon ist absolut sehenswert. Aber Venedig ist eben auch immer Bella Italia und Dolce Vita und manchmal weiß man nicht, was im Vordergrund steht. Und das steht für mich dann doch etwas im Widerspruch zu den plakativen Anklagen und Themen einer sich immer mehr entfremdenden Welt. Ob in manchen Pavillons in Venedig oder eben Kassel – es ist oft Kunst aus der 3. Welt für ein aufgeschlossenes Publikum, das in den meisten Fällen noch nie vor Ort war. Ein bisserl der Beigeschmack einer “Völkerschau“. Vielleicht. Aber wie Yuki Kihara den Südsee-Mythos von Paul Gauguin zerlegt, das hat was. Das Fremde bewegt eben und nur manchmal ist es so still und nachhaltig, wie im finnländischen Pavillon mit dem Beitrag der Sami, in dem nicht nur die Bäume durch die Decke wachsen.

Aber wie gesagt, das Fremde bewegt. Wie etwa bei den bewegten Bildern und Zuschauern von Francis Alÿs im Belgischen Pavillon mit den Videodokumentationen von spielenden Kindern, die sich jeder für sich, aber immer gemeinsam, auf ihre Art für eine harte Welt rüsten. Ob in Südindien oder Indonesien, in Chile oder in der Wildnis Finnlands…es ist trotzdem alles so weit weg! Da ist Maria Eichhorn im deutschen Pavillion mit dem „Relocating a structure“ einfach einen Schritt voraus. Kein großer Transport, „einfach“ nur nehmen, was da ist, Geschichte aufdecken, das Aufbrechen als Aufarbeitung und Kontinuum, die Geschichte mit Weiß auf Weiß schreiben, eben den gruseligen germanischen Nationaltempel mit wenigen “Kunstgriffen“ zerlegen. Was hier bewegt, ist unsere eigene befremdliche Geschichte. Wenige Schritte entfernt der russische Pavillon. Unbespielt, alleine und mit der markant gruseligen Jahreszahl 1914 an der Fassade. Auch das ist eine Aussage…

Venedig Biennale – Global South oder Dolce Vita

Wer mehr von Francis Alys und der waghalsigen Reifenfahrt oder dem summenden Kampf afrikanischer Kinder gegen Moskitos sehen will, klickt hier; http://francisalys.com/category/childrens-games/

Venedig kann sehr kalt sein – auch im August…